EWE NETZ erprobt MCA-WLAN von IK Elektronik
Jeder Haushalt in Deutschland muss laut dem 2016 in Kraft getretenen Messstellenbetriebsgesetz mindestens mit einem digitalen Stromzähler ausgestattet sein. „Die modernen Messeinrichtungen werden in über 80 Prozent der Einbaufälle ohne das vom BSI konzipierte Kommunikationsmodul eingebaut und bieten zunächst kaum einen Vorteil für die Kunden.“, erklärt Wiegand Lütjen, Systemingenieur bei der EWE NETZ GmbH.
Veröffentlicht in: 50,2, Dezember 2020 (www.50komma2.de)
„Um die Anforderungen im Forschungsprojekt „enera“ zu erfüllen und den Kunden ohne Smart Meter Gateway eine digitale Lösung zu bieten, waren wir auf der Suche nach einer Technik, die den Zähler an die Cloud bringt, also „online-fähig“ macht und einen detailgenauen Zugriff auf die Verbrauchsdaten ermöglicht.“ Diese Verbindung setzt ausdrücklich den Kundenwunsch voraus.
Die im Rahmen des vom BMWi geförderten SINTEG-Projekts „enera“ zur Digitalisierung der Stromversorgung unter Mitwirkung der EWE NETZ GmbH realisierte Lösung ermöglicht die sekundengenaue Messdatenerfassung der Stromzähler und damit die Möglichkeit neue, datenbasierte Dienstleistungen zu erproben. Dazu wurden im Forschungsprojekt Partnerunternehmen mit Erfahrung in der Umsetzung von Cloudlösungen, Apps und Funkelektronik gesucht. Es entstand eine enge Kooperation, etwa mit der Bosch.IO GmbH sowie der IK Elektronik GmbH.
„IK Elektronik ist uns unter anderem durch bereits realisierte Lösungen wie den StromPager DX aufgefallen“, berichtet Lütjen. Der Anbieter von Funkelektronik arbeitete bereits rund zwei Jahre vor der Kooperation an der Digitalisierung von Strommessgeräten. „In Gesprächen mit der Energiewirtschaft wurde der Bedarf für eine Lösung wie dem MCA-WLAN offensichtlich, worauf wir eigene Vorversuche durchgeführt und Prototypen gebaut haben“, erklärt Marko Herold, Leiter Produktmanagement bei der IK Elektronik.
Flexibler Adapter
Der Kommunikationsadapter sollte bei dem Projekt mit der EWE NETZ GmbH unterschiedliche Anforderungen erfüllen. Dazu zählte unter anderem eine möglichst einfache Montage, welche direkt vom Endkunden durchgeführt werden kann. „Die Entwicklung war recht komplex. So stellte sich die Vielfalt der Stromzählermodelle am Markt als eine Herausforderung dar“, berichtet Herold. „Denn eigentlich müssten die Infrarotschnittstellen der Stromzähler gemäß Norm nahezu identisch sein. Doch die Praxis reicht von mechanischen Abweichungen über verschiedene Infrarot-Parameter bis hin zu vielfältigen Varianten beim Kommunikationsprotokoll.“
IK Elektronik konstruierte den MCA-WLAN daher so, dass eine breite Palette von Stromzählern unterstützt wird und sogar bei verdrehter Montage eine sichere Kommunikation möglich ist. Neue Kommunikationsprotokolle lassen sich bei Bedarf einfach durch ein Remote Update der Gerätefirmware aufspielen. Das Gerät wird mit einem Permanentmagneten platziert, ein falsches Anbringen ist damit praktisch unmöglich. Die Stromversorgung erfolgt über ein mitgeliefertes USB-Netzteil. In schwierigen Empfangssituationen kann am Gerät außerdem eine externe 2,4 GHz-Antenne montiert werden, die das WLAN-Signal verstärkt.
Foto: Der Meter-to-Cloud-Adapter (MCA-WLAN) übermittelt die Verbrauchsdaten aus der modernen Messeinrichtung per WLAN in die Cloud.
Fünf Minuten bis zum Regelbetrieb
Nach der Montage erfolgt die Integration in das WLAN vor Ort. Dazu baut das Modul zunächst einen WLAN-Accesspoint auf, um anschließend auf die Konfiguration zugreifen zu können. Danach wird die Verbindung zum Zielsystem eingerichtet, ehe der Regelbetrieb einsetzt. Bei einem optimalen Verlauf dauert dieser Vorgang bis zum ersten Zugriff auf die Messdaten fünf Minuten. „Lediglich die Spannungsversorgung stellt eine Herausforderung bei der Installation dar“, erklärt Wiegand Lütjen. „Besonders gut eignen sich deshalb Zähler, die bereits über ein integriertes Netzteil verfügen oder bei denen ein Netzteil einfach nachgerüstet werden kann.“
Sobald der Funkadapter im Regelbetrieb läuft, überträgt er im Sekundenrhythmus Zählerdaten an die gewünschte Kunden-App. Durch die zeitlich hohe Auflösung erhält der Kunde besonders detaillierte Informationen zu seinem Energieverbrauch. Mit der App lässt sich beispielsweise erkennen, wie hoch der tagesaktuelle Verbrauch ist oder welche Haushaltsgeräte am meisten Strom benötigen. Der Stromverbrauch wird nicht nur in kWh angegeben, sondern gleich in den zu zahlenden Betrag umgerechnet. Der Stromkunde erhält damit die volle Transparenz, wie sich seine Energiekosten zusammensetzen und wo gegebenenfalls Sparpotenzial besteht.
„In einem parallel stattfindenden Pilotprojekt erfolgt bereits eine monatliche Abrechnung des Stromverbrauchs auf dieser Basis“, berichtet EWE-Ingenieur Lütjen. „Die Datenerfassung und einheitliche Bereitstellung bildet die Grundlage für weitere individuelle Dienstleistungen. Um für verschiedene Kundengruppen Anknüpfungspunkte zu liefern, soll der Endverbraucher zukünftig die Zählerdaten in seine Smart Home-Lösung einbinden können.“
Grafik: Kommunikationsschema MCA-WLAN.
Geplante Zuwachsraten im fünfstelligen Bereich
EWE NETZ hat bisher Erfahrungen mit mehreren Hundert optischen Auslesemodulen gesammelt und befindet sich aktuell in der finalen Testphase. Derzeit sind die Module bei ausgewählten Testkunden im Einsatz und konnten dort bereits durch positive Ergebnisse überzeugen. Aufgrund der positiven Erfahrungen bei der Entwicklung und im Feldtest hat der Energieversorger für den Ausbau des Angebots eine erste Serie an MCA-WLAN bei IK Elektronik bestellt.
„Die Zusammenarbeit mit IK Elektronik auf technischer Ebene war stets konstruktiv und zielgerichtet, sodass wir mit der gemeinsamen Entwicklung bisher sehr zufrieden sind. Da wir kurz vor der Markteinführung stehen, sollen noch in diesem Jahr Geräte im überschaubaren dreistelligen Bereich bei unseren Kunden implementiert werden“, erläutert Lütjen.
Während der MCA-WLAN hauptsächlich für Privathaushalte gedacht ist, arbeiten IK Elektronik und die EWE NETZ GmbH auch an einer Variante für Gewerbekunden und technische Liegenschaften.
„Wir planen auch die Implementierung von Funkstandards wie Wireless MBus, Sigfox oder Narrowband IoT, um eine direkte Übertragung der Zählerdaten in die Cloud anbieten zu können“, erklärt Herold. „Wir möchten damit neue Anwendungsgebiete erschließen. Für NarrowBand IoT oder Sigfox benötigt man beispielsweise keine kundenseitige Kommunikations-Infrastruktur.
Mit Sigfox oder Wireless MBus / OMS sind batteriebetriebene Anwendungen möglich, sofern keine hohen Anforderungen an die zeitliche Auflösung der Daten bestehen. Die Herausforderungen dabei sind die platzsparende Integration der Antennen und das stromsparende Design bei Batteriebetrieb.“
Foto: Per Enera-APP erhalten die Kunden detaillierte Informationen zu Stromverbrauch und -kosten.
Zähler an die Cloud – Weitere Anwendungen
Ein möglicher weiterer Anwendungsbereich ist die lokale Vernetzung und Kommunikation mit bestehenden Anlagen der Stromkunden wie beispielsweise Ladesäulen oder Energiemanagementsystemen. „Als Lösungsanbieter im Bereich des Messwesens wollen wir die Etablierung neuer innovativer Dienstleistungen unterstützen“, berichtet Lütjen. „Gleichzeitig stehen wir auch als Ideengeber und Diskussionspartner für unsere Projektpartner wie beispielsweise IK Elektronik zur Verfügung. Grundsätzlich sind wir immer für Kooperationen offen, in denen gemeinsam an neuen Lösungen gearbeitet wird, die für alle Beteiligten einen Mehrwert erbringen und bei denen der Fokus über die regulatorischen Mindestvorgaben hinausgeht.“